Innovationstagung zur «Stromlücke» zieht mehr als 250 Menschen an

Medienmitteilung vom 1. September 2022

Das Thema der gestrigen Innovationstagung «Stromlücke» an der OST – Ostschweizer Fachhochschule in Rapperswil-Jona interessierte und polarisierte: Mit mehr als 250 Menschen im Publikum zog die öffentliche Tagung so viele Interessierte wie noch nie an. Kein Wunder bei einem Thema, das derzeit alle beschäftigt: Wie kritisch steht es um unsere Strom- und Energieversorgung und welche Lösungen gibt es, wenn sogar Europa an seine Grenzen stösst? Das Thema wurde zwischen den Referaten der eingeladenen Experten entsprechend angeregt diskutiert.

Alex Simeon bei der Begrüssung zur Innovationstagung.
Andreas Häberle gibt Einblick in aktuelle und in Entwicklung befindliche Energie-Speichertechnologien.
Georg Klingler Heiligtag befürwortet einen Solar-Spurt.
Jörg Spicker wünscht sich mehr Tempo beim Ausbau des Stromnetzes und der erneuerbaren Energiequellen.
Besucherrekord: Mehr als 250 Menschen verfolgten die Innovationstagung zum Thema Stromlücke.

Viel aktueller hätte die gestrige Innovationstagung an der OST zum Thema «Stromlücke» gar nicht sein können. Wenige Stunden zuvor lancierte der Bundesrat in Bern seine Energiespar-Kampagne mit einem Appell von Wirtschaftsminister Guy Parmelin. «Jede Kilowattstunde zählt, ob neu produziert, eingespart oder nicht verschwendet», sagte der Bundesrat.

Dass der kommende Winter auch die Bevölkerung und Vertreterinnen von Politik und Unternehmen umtreibt, zeigte sich auch im Publikum in der Aula der OST: Mehr als 250 Besucherinnen und Besucher strömten in die Aula, um den Referaten von vier Energie-Experten zu lauschen und anschliessend weiter zu diskutieren.
Vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine wurde in der Schweiz mit einer Strommangellage ab etwa 2025 gerechnet. Mit dieser drohenden Stromlücke und Massnahmen dagegen wollte sich die Innovationstagung beschäftigen – eigentlich. Die auf den Krieg in der Ukraine folgende Energiekrise hat die Dringlichkeit beim Thema Strom und Energie in den letzten Monaten kontinuierlich erhöht. Die vier Referenten passten ihre Vorträge entsprechend an und OST-Stabschef Alex Simeon eröffnete die Innovationstagung mit den Worten: «Heute sehen wir uns nicht mit Herausforderungen in naher, sondern bereits in sehr naher Zukunft konfrontiert.»

Von «Hoffen und beten» bis «Solar-Spurt»

So fand sich etwa der Stromnetz-Strategie-Experte Jörg Spicker vom Schweizer Netzbetreiber Swissgrid plötzlich in der Rolle wieder, vor allem über die akuten Fragen zur Stromversorgung in der Schweiz für den kommenden Winter zu sprechen. Und nicht wie ursprünglich geplant über mittelfristige Ziele in den nächsten Jahren wie die Integration erneuerbarer Energien ins Stromnetz, die Schaffung von Kapazitätsreserven oder die Notwendigkeit eines Stromabkommens für reibungslose Strom-Importe aus der EU.
In seinem Vortrag wählte Spicker vor dem Hintergrund der gestern gleichzeitig lancierten Energiespar-Kampagne des Bundesrats deutliche Worte. Auf seine Einstiegsfrage, wie viele Menschen im Publikum glauben, dass es im Winter keine Stromprobleme geben würde, blieben die Hände unten. «Bis vor zwei Jahren wurde davon ausgegangen, dass wir jederzeit Strom aus der EU kaufen können. Das ist heute nicht mehr der Fall», so Spicker. Die Schweiz müsse deshalb massiv in die heimische Stromversorgung investieren und gleichzeitig das Netz schnell ausbauen. Die Politik könne die Physik nicht ausser Kraft setzen und in einer Zeit, in der sogar der Chef der Schweizerischen Elektrizitätskommission zu Kerzen und Holz für den Winter rate, «frage ich mich schon, welcher Ruck noch durch das Land gehen muss.» Für den kommenden Winter arbeite Swissgrid mit Hochdruck «an Lösungen und ich kann nur hoffen und beten, dass wir es schaffen», so Spicker.
Greenpeace-Energieexperte Georg Klinger Heiligtag sieht in der Solarenergie das grösste Potenzial für einen schnellen Ausbau der Energieproduktion und forderte einen «Solar-Spurt» von den Entscheidungsträgern in der Politik. Die Schweizerische Energiestrategie sei zwar aktuell noch nicht gescheitert, aber «wir brauchen mehr und schnellere Massnahmen.» Ein lokales Problem in der Schweiz ortete er darin, dass die Solarenergie im Vergleich zur Wasserkraft nie grosses Vertrauen genossen hätte. Entsprechend antwortete er auch auf eine kritische Frage aus dem Publikum, dass Greenpeace ja grosse Wasserkraftwerke verhindere direkt mit: «Warum sollten wir die Wasserkraft ausbauen und die Biodiversität in unseren Gewässern gefährden, wenn wie so viel Energiepotenzial auf den Dächern haben?»
Ins gleiche Horn stiess Nils Epprecht von der Schweizerischen Energiestiftung Zürich: «Die Versorgungslücke bei Strom und Gas haben wir uns aufgrund unseres mangelnden Tempos bei Ausbau der nachhaltigen Energiequellen selbst eingebrockt.» Es brauche nun in der Energiepolitik einen gemeinsamen Schub, von der Raum- und Ortsplanung über die Steuerpolitik bis hin zu den Energietarifen, müsse die Energiestrategie rasch und mit grossen Würfen umgesetzt werden.

Lösungen mit aktueller Technik und neuen Technologien

Den Blick auf aktuell in der Entwicklung befindliche Lösungen, übernahm Andreas Häberle, Leiter des Instituts für Solartechnik an der OST. Er zeigte in seinem Vortrag gleichermassen heute bereits verfügbare sowie sich in Entwicklung befindliche Technologien, die die Speicherung von erneuerbaren Energien in den benötigten Massstäben möglich machen. Dabei macht er auf eine Rückfrage aus dem Publikum, warum die Schweiz nicht «die Batterie Europas werde» aber auch physikalische Realitäten deutlich: «Die Schweiz ist dafür nicht gross genug.» Man sei aber derzeit auf dem richtigen Pfad, die künftige Energieversorgung aufzubauen. Beispielsweise werde an der OST derzeit Aluminium als Energiespeicher für sehr grosse Energiemengen aus erneuerbaren Quellen erforscht – ein Projekt, dass auch die EU direkt fördert.

Die nächste Innovationstagung findet am 2. November 2022 statt – das Fokusthema lautet: «Achtsamkeit» und das konkrete Programm wird demnächst hier aufgeschaltet.

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